Märkisches Viertel: Wo Kultur Alltag und Quartier verbindet
Wie wird aus einzelnen Kulturaktionen eine dauerhafte Kraft im Quartier? Mit dieser Frage beschäftigt sich die städtische Wohnungsbaugesellschaft GESOBAU seit 2022 im Märkischen Viertel. Ziel ist es, kulturelle Angebote so zu verankern, dass sie Entfaltung fördern, Gemeinschaft stärken und Engagement sichtbar machen. Die Vernetzungsinitiative „Gemeinsam für das Quartier“ begleitete den Prozess mit einem Stadtlabor. Bei der letzten Sitzung am 3. Dezember 2025 wurde deutlich: Kultur entwickelt dann Wirkung, wenn Menschen Verantwortung übernehmen, Aktivitäten niedrigschwellig zugänglich sind und eine Struktur entsteht, die länger trägt als einzelne Projekte.
Vom Ideenraum zum Kulturprozess
Seit 2022 engagiert sich die GESOBAU im Märkischen für eine verankerte kulturellen Wohnquartiersentwicklung. In einer Praxiswerkstatt der Vernetzungsinitiative und der GESOBAU im Jahr 2022 sammelten lokale Initiativen und bundesweite Akteur:innen aus dem Bereich zunächst Ideen und Strategien. In den Sitzungen des Stadtlabor zeigte sich anschließend: Das Viertel verfügt über viele räumliche Potenziale und engagierte Träger, die bereits kulturelle Angebote machen. Was jedoch fehlte, war eine verbindende Plattform, die diese Aktivitäten bündelt und stärkt. Genau an dieser Stellesetzte die gemeinsame Arbeit an, mit dem Ziel, Kultur sichtbarer, koordinierter und für die Menschen vor Ort leichter zugänglich zu machen.
MV KANN KUNST: Aufbau einer neuen Kulturplattform
Ende 2024 gründete sich daraufhin die Initiative „MV KANN KUNST“, getragen von GESOBAU, sozialen Einrichtungen, dem FACE Familienzentrum der evangelischen Kirchengemeinde und lokalen Kulturschaffenden. Ab Mai 2025 unterstützt eine eigens eingerichtete Koordinationsstelle die Verstetigung der Aktivitäten, die über das bestehende Netzwerk Märkisches Viertel e. V. angestellt wurde. Seitdem wurden mehrere Projekte umgesetzt: die Sommerkulturbühne „Kultur2Go“, die Outdoor-Ausstellung ZEITREISE zur Quartiersgeschichte und ein neuer temporärer Kunstraum im Einkaufszentrum Märkisches Zentrum. In den leerstehenden Verkaufsräumen des Dekogeschäfts „Partyland“ zeigten vierzehn Künstler:innen ihre Arbeiten, rund 900 Besucher:innen kamen vorbei. Die Projekte machen Kunst im Alltag erfahrbar, schaffen neue Begegnungen und zeigen, welche Nachfrage nach kulturellen Impulsen im Quartier besteht.
Wie Kulturaktionen im MV entstehen: Verantwortung, Mut und Zugänglichkeit
Die Erfahrung zeigt: Kulturprozesse brauchen engagierte Personen, die Verantwortung übernehmen und mutig starten, wie Helene Böhm von der GESOBAU und Stefan Rohn vom FACE Familienzentrum, die Initiative „MV KANN KUNST“ angestoßen haben. Wirkung entstand besonders dann, wenn nicht lange geplant, sondern ausprobiert wurde. Die Umsetzung über bestehende Strukturen, wie der GESOBAU, dem FACE Familienzentrum und dem Netzwerk Märkisches Viertel, ermöglichte flexible Formate, ohne enge Fördervorgaben. Ein offener Kunstbegriff erleichterte Teilhabe, denn Angebote wie Kultur2Go oder ZEITREISE fanden im öffentlichen Raum statt und senkten Hürden. Auch das „Partyland“ ist durch seinen Standort im Einkaufszentrum Märkisches Zentrum besonders leicht zugänglich. Indem die Projekte unter dem Label „MV KANN KUNST“ auftreten statt unter GESOBAU, rückt die Kultur in den Mittelpunkt und die GESOBAU tritt weniger als organisatorische Instanz in den Vordergrund
Kultur schafft Begegnung und Sichtbarkeit
Die kulturellen Aktivitäten im Quartier machen das Märkische Viertel insgesamt als Ort mit Kultur und Kreativität sichtbar. Die hohe Resonanz im „Partyland“ steht weniger für klassischen Publikumserfolg, sondern für den Bedarf an alltagsnaher Kunst. Die Ausstellung schafft dabei nicht nur einen ansprechenden Ort mit Kunst für die Bewohner:innen, sondern ermöglicht auch den Künstler:innen, die vor Ort Aufsichten übernehmen, einen direkten Austausch mit ihrem Publikum. Durch die Ausstellung im „Partyland“, die ZEITREISE, sowie die Sommerkulturbühne „Kultur2Go“ machten zudem die bisher wenig beachtete kulturelle Einsamkeit sichtbar. Die Aktivitäten laden das Einkaufszentrum Märkisches Zentrum neu auf und eröffnen erwachsenen Bewohner:innen Räume für Ausdruck, Begegnung und Teilhabe.
„Gemeinsam für das Quartier“ im Märkischen Viertel
Die Vernetzungsinitiative „Gemeinsam für das Quartier“ setzte im Märkischen Viertel mit dem Stadtlabor wichtige Impulse für die kulturelle Quartiersentwicklung. Sie begleitete den Prozess, gab Anstoß für Aktivitäten und unterstützte ein kontinuierliches „Dranbleiben“. Die Begleitung der vom Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen geförderten Vernetzungsinitiative verlieh den lokalen Akteur:innen Anerkennung und Legitimation für ihr Engagement. Gleichzeitig erhöhte die Arbeit der Initiative– etwa durch Veranstaltungen und Publikationen, in denen der Prozess des Märkischen Viertels vorgestellt wurde – die Sichtbarkeit des Themas und des Viertels insgesamt, was auch für künftige Förderperspektiven von Bedeutung ist. So konnte aus ersten Ideen ein Rahmen für kulturelle Aktivitäten entstehen, der eine kontinuierliche Weiterentwicklung ermöglicht.
MV KANN KUNST auch weiterhin im Quartier aktiv
Die Galerie im ehemaligen „Partyland“ bleibt bis April 2026 geöffnet und bietet weiterhin einen Ort, an dem Kunst direkt im Viertel erlebbar ist. Das Künstler:innennetzwerk, das sich hier gebildet hat, möchte aktiv bleiben, und die Koordinationsstelle soll künftig durch die GESOBAU unterstützt werden. Damit bleiben sowohl ein physischer Ort als auch eine stabile Struktur erhalten, was einen seltenen Ansatz jenseits kurzfristiger Projektlogiken darstellt. 2026 kehrtauch die Sommerkulturbühne „Kultur2Go“ zurück, und weitere Formate werden gemeinsam entwickelt. Geplant ist unter anderem ein Fotoband, der die Geschichte des Viertels dokumentiert und das kollektive Gedächtnis stärkt. Das Grundprinzip bleibt klar: Kunst soll Alltagswege bereichern, und zwar niedrigschwellig, sichtbar und nah am Leben der Menschen.