Sondierungsgespräch 2

23.9.2021
Herne
Herne
Transformation kultivieren – ko-kreative und ko-produktive Entwicklung von Schlüsselimmobilien
Workshop im Rahmen der Kulturkonferenz Ruhr 2021 Veranstalter: Regionalverband Ruhr

Auf der Suche nach Strategien und Bausteinen zur Transformation unserer Stadtzentren und Stadtteilzentren für die Stadtgesellschaften von morgen setzt die Vernetzungsinitiative „Gemeinsam für das Quartier“ auf Ko-Kreation und Ko-Produktion. Gemeinsam mit Stadt- und Immobilienentwicklern, Handel, Kultur, Soziokultur, Kreativwirtschaft und zivilgesellschaftlichen Initiativen nimmt das Netzwerk der Nationalen Stadtentwicklungspolitik Lösungen für einen gemeinwesenorientierten „Mixed Use“ in den Blick.

Nach einer gemeinsamen Sondierung von Anknüpfungspunkten und Akteurskonstellationen im Mai und Juni 2021 geht es in der zweiten Jahreshälfte darum, die identifizierten Herausforderungen gemeinsam anzugehen, LivingLabs und Prototypen auf den Weg zu bringen sowie in ersten Projekten Erfahrungen zu sammeln. Zu den zentralen Herausforderungen gehören u.a. der Nutzungsmix, die Gestaltung des Zusammenspiels zwischen gewerblichen und gemeinnützigen Funktionen / Akteuren sowie die Entwicklung und Erprobung geeigneter Betreiber- und Trägermodelle. Communitybuilding sowie die Beförderung von Kooperationsmodellen und Verantwortungsgemeinschaften gehören zu den Erfolgsvoraussetzungen der Transformation.

Ziel der Vernetzungsinitiative ist es, zur Kultivierung der Transformationsprozesse beizutragen und dabei eine gemeinwesenorientierte Eigendynamik zu befördern. Die Zentrenentwicklung kann damit zum Katalysator und Experimentierfeld werden - für eine ko-kreative und ko-produktive Stadtentwicklungskultur auch in weiteren Handlungsfeldern der Stadt- und Regionalentwicklung.

Das Sondierungsgespräch „Transformation kultivieren“ ist ein weiterer Baustein auf diesem Weg.

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Agenda

Moderation: Dr. Ulrich Berding und Prof. Reiner Schmidt

14:00 - 14:30 Uhr

(1) BEGRÜSSUNG UND INTRO

Ziele, bisherige Lösungsansätze, Herausforderungen, Fragestellungen bei der Transformation von Schlüsselimmobilien

14:30 - 15:45 Uhr

(2) DISKURS

Herausforderungen, Perspektiven, Strategien bei der Transformation von Schlüsselimmobilien

15:45 - 16:00 Uhr

(3) ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK

Weiterführende Schritte und Aufgaben im Zuge der Transformation von Schlüsselimmobilien, Aufgabenstellungen für Modellprojekte, Ausblick auf weiterführende Projektentwicklungswerkstätten

report

Ergebnis

Unter dem Titel „Transformation kultivieren – ko-kreative und ko-produktive Entwicklung von Schlüsselimmobilien“ thematisierte der Workshop drei Themenfelder mit jeweils diskussionsleitenden Fragestellungen:

  • Geeignete Mischungen
  • Träger- und Beteiligungsmodelle
  • Communitymanagement, intermediäre Aufgaben

Nach einer Begrüßung und Einführung durch Ulrich Berding und Reiner Schmidt leiteten einführende Statements die anschließende Diskussion ein. Statementgeber:innen waren:

  • Stefan Anspach, Montag Stiftungen Urbane Räume
  • Thomas Binsfeld, Landmarken AG
  • Maria Borrasch, Sparda Bank / BLOK O, Frankfurt/Oder
  • Christian Cordes, German Coworking Federation e.V.
  • Marion Edelhoff, ecce GmbH, Dortmund
  • Markus Paul, startklar a+b GmbH
1 Geeignete Mischungen
  • Welcher Nutzungsmix geht für unterschiedliche Arten von Immobilieneigentümern / Trägern?
  • Wie kann eine sowohl für die Lebendigkeit der Innenstadt als auch die wirtschaftliche Tragfähigkeit passende Mischung erreicht werden?

In den Statements und den anschließenden Diskussionen wurden diese Fragen besonders intensiv thematisiert. Es wurde deutlich, dass es nicht „die“ eine richtige Mischung geben kann, sondern dass es sehr unterschiedliche kommunale Rahmenbedingungen und Kontexte zu beachten gilt. Entsprechend müssen Nutzungskonzepte individuell aus dem jeweiligen Ort heraus entwickelt werden. Hierbei ist Coworking – obwohl in diesen Zusammenhängen gerne in den konzeptionellen Mittelpunkt gerückt – keineswegs in jedem Fall eine geeignete Ankernutzung. Es muss im Einzelfall sehr sorgfältig geprüft werden, ob wirklich ein Bedarf nach Coworking-Angeboten besteht und auf welche Weise dieser Bedarf dann konzeptionell berücksichtigt werden kann. Zudem ist es sinnvoll, auch dynamische Nutzungskonzepte zu realisieren, also Wechsel von Nutzungen je nach sich ändernden Bedarfen und Rahmenbedingungen zu ermöglichen.

Einen zentralen Diskussionspunkt bildete die ökonomische Dimension einer nutzungsgemischten Entwicklung von Schlüsselimmobilien. Es wurde betont, dass sich aus einer vielfältigen und sozio-kulturell geprägten Nutzungsmischung Mehrwerte ergeben, die jenseits einer rein auf Gewinnmaximierung abzielenden Perspektive angesiedelt sind. Hier wurde insbesondere die impulsgebende Bedeutung von nutzungsgemischten Schlüsselimmobilien für die Quartiers- bzw. Innenstadtentwicklung genannt.

Auch anwesende Vertreter:innen der Immobilienwirtschaft sahen sich aufgefordert, sozio-kulturelle Mehrwerte verstärkt mitzudenken und zu nutzen. Für immobilienwirtschaftliche Praxis bedeutet dies, die guten Einzelbeispiele, die diesen Ansatz exemplarisch verkörpern, in die Breite zu tragen.

Aus Perspektive der soziokulturellen Akteure wurde aber davor gewarnt, Akteure der sozio-kulturellen und kreativen Szene einseitig auf die Rolle als positive Imagegeber zu reduzieren und damit letztendlich zu instrumentalisieren. Hier wurde Respekt als wichtige „Neben-Währung“ im Umgang mit diesen Akteuren angemahnt. Aber Respekt allein wurde auch nicht als hinreichend bewertet – vielmehr sollten kreative und sozio-kulturelle Akteure für ihre Beiträge auch angemessen honoriert werden.

Doch auch eine nicht auf Gewinnmaximierung zielende Nutzungskonzeption muss auf Dauer wirtschaftlich tragfähig sein. Hier gilt es zunächst zu beachten, dass verschiedene Anbieter über unterschiedliche wirtschaftliche Möglichkeiten verfügen und ebenso unterschiedliche (wirtschaftliche) Ziele verfolgen. Dies ist auf Betreiberseite mit Herausforderungen verbunden, da sich die unterschiedlichen wirtschaftlichen Potenziale auch auf die Mietzahlungsfähigkeit auswirken.

Um sowohl für Betreiber als auch für die Anbieter die notwendige Sicherheit, Verlässlichkeit und Zukunftsperspektive zu bieten, stellt die Bodensicherung einen wichtigen Faktor dar. Hier können beispielsweise auf Erbbaurecht basierende Konzepte dauerhaft kostendämpfend wirken.

2 Träger- und Betreibermodelle
  • Wie schafft man Betreiber- und Trägermodelle für die Mixed-Use-Immobilien, in denen sich soziokulturelle, kreativwirtschaftliche Akteure mit ihren Bedarfen und Impulsen wirklich einbringen können?
  • In welchen Fällen können diese selbst Eigentümer oder Betreiber werden, wann braucht es dafür eine professionelle Einrichtung?

Einen weiteren Schwerpunkt der Diskussionen stellten geeignete Träger- und Betreibermodelle für Mixed-Use-Immobilien dar. Hier stand zunächst die Frage im Mittelpunkt, wer als Betreiber überhaupt in Frage kommt. Genannt wurden auf der einen Seite die Vermieter – beispielsweise Investoren oder die Kommune –, auf der anderen Seite die Mieter bzw. Untermieter oder die Nutzer:innen.

In der Diskussion wurde herausgestellt, dass es grundsätzlich sinnvoll sein kann, parallel zur Entwicklung des Nutzungskonzepts auch das Träger- und Betreibermodell zu entwickeln. Je nach sozio-kulturellem Konzept und Selbstverständnis können unterschiedliche kommerzielle und strukturelle Ansätze den ein Mixed-Use-Konzept prägen. Dies hat Auswirkungen auf die Anforderungen an eine:n geeignete:n Betreiber:in.

Eingehender diskutiert wurde die Rolle der Kommune in diesem Zusammenhang. Es wurde festgestellt, dass die Kommune nur selten überhaupt Eigentümerin von Schlüsselimmobilien ist und zudem die Rolle als Betreiberin meist nur ungern wirklich annimmt. Wenn die Kommune diese Rolle aber tatsächlich wahrnimmt, dann verfolgt sie in aller Regel deutlich geringere Renditeziele als wirtschaftliche Akteure – was als Vorteil für nutzungsgemischte Konzepte mit Anbietern aus der sozio-kulturellen und kreativen Szene gewertet wurde. Es wurde betont, dass die Kommune – anders als von Akteuren dieser Szene oftmals wahrgenommen – nicht der als der „natürliche“ Gegner einer gemeinschaftlichen Nutzung anzusehen ist.

Eine Herausforderung für den Betreiber einer Mixed-Use-Immobilie ist es, so wurde in der Diskussion deutlich, die unterschiedlichen und in ihren Zielen, Werten und Ressourcen oft stark voneinander abweichenden Akteure zusammenzubringen. Angepasst an die unterschiedlichen Möglichkeiten der jeweiligen Akteure müssen auch die zu tragenden Risiken differenziert verteilt werden. Hierbei ist es aus Sicht der Diskussionsteilnehmer:innen naheliegend, dass starke Akteursgruppen höhere Risiken tragen als ökonomisch weniger leistungsfähige Akteure.

Schon frühzeitig müssen die Schnittstellen zwischen unterschiedlichen ökonomischen Zielen und Möglichkeiten ausgelotet werden. Dieser Prozess des Aushandelns, Ausprobierens und Entwickelns erfordert Zeit – und führt damit zu Kosten, die letztlich aus dem jeweiligen Projekt heraus erbracht werden müssen.

Sinnvoll kann es sein, die Entwicklung einer Mixed-Use-Immobilie phasen- bzw. abschnittsweise zu gestalten. Schnell und spontan handelnde Pioniere können den Anfang machen und mit verschiedenen Nutzungsformen und Konzepten experimentieren. Sie können die Rahmenbedingungen schaffen, auf denen dann Folgenutzer aufbauen können. Gerade bei großflächigen Immobilien in eher strukturschwachen Kontexten stellt sich die Herausforderung, ausreichend Substanz für eine sinnvolle und tragfähige Nutzung zu generieren. Beispiele zeigen, dass es hier sinnvoll sein kann, genossenschaftlich getragene Modelle zu entwickeln, die eine Basis für gemeinschaftliche Handlungsansätze bieten.

Als eine Möglichkeit der Kostenersparnis wird die Erbringung von Eigenleistungen gesehen. Gerade bei notwendigen baulichen Maßnahmen, bei Renovierungen und Umgestaltungen von Immobilien können ehrenamtlich erbrachte Leistungen erheblich zur Kostenreduktion beitragen. Dies wirkt sich dann dämpfend auf die späteren Miet- und Nutzungskosten aus.

3 Communitymanagement, intermediäre Aufgaben
  • Wie kommt man in einem offenen, kreativen, aber dennoch strukturierten Prozess zu den ergänzenden kulturell-kreativwirtschaftlichen und gemeinwesenorientierten Nutzungen und den entsprechenden Akteuren?

Im Vergleich zu den anderen Themen eher knapp wurde der Aspekt des Communitymanagements diskutiert. In der Diskussion wurde deutlich, dass es ein Quartiersmanagement braucht. Eine Aufgabe des Managements ist die Klärung der Erwartungen, Ziele und gegebenen Rahmenbedingungen sowohl mit den Projektakteuren als auch mit den Akteuren im Quartier sowie der kommunalen Politik und Verwaltung.

Die Themen und Herausforderungen sind komplex und vielfältig. Bei der Entwicklung von Mixed-Use-Immobilien geht es um ökonomische, rechtliche, soziale, kulturelle, bauliche und planerische Fragen. Daher sind auf Seiten der kommunalen Verwaltung zahlreiche Ressorts mehr oder weniger direkt und substanziell involviert. Ein:e Quartiersmanager:in muss hier koordinierend, vermittelnd und strukturierend wirken und sowohl unter den kommunalen Ressorts als auch in Richtung der nicht-kommunalen Akteure im Projekt und im Quartier vermitteln.

Diese übergreifende Aufgabe ist ebenso wichtig wie schwierig. Ein Teilnehmer bringt es auf den Punkt: „Wir suchen den Landgastwirt.“ Das Bild des Landgastwirts symbolisiert einen Akteur, der die Sprachen der verschiedenen Akteure spricht, zwischen den unterschiedlichen Interessen vermitteln kann, über alle wesentlichen Entwicklungen informiert ist und den Respekt aller Akteure genießt.

Zusammenfassung

Ein Anliegen des Workshops war es, auf Grundlage bereits umgesetzter Beispiele möglichst praxis- und problemorientiert Ansätze für geeignete Nutzungsmischungen und tragfähige Betreibermodelle zu entwickeln.

Die Diskussion machte deutlich, dass für eine tragfähige Nutzungsmischung Akteur:innen zusammengebracht werden müssen, deren ungleiche ökonomische Möglichkeiten sowie oft unterschiedlichen Ziele und Wertvorstellungen nicht immer leicht in Einklang zu bringen sind. Dies erfordert eine koordinierende, moderierende Instanz.

Die kreativen Potenziale engagierter Initiativen sind wichtige Ressourcen für die erfolgreiche Transformation von Schlüsselimmobilien. Ein wichtiger Faktor ist die Etablierung eines handlungsstarken Communitymanagements, das strukturell denken und handeln kann und ressort- und akteursübergreifend agiert. Wichtig zu beachten ist zudem, dass es nur in sehr begrenztem Maße möglich ist, rezeptartige Lösungsansätze anzuwenden. Stattdessen müssen aus dem Ort und dem Kontext heraus passende Nutzungs- und Akteurskonstellationen entwickelt werden.

Abbildungen

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