Ziele, Rahmen und Ablauf der 3. Netzwerkkonferenz
Der Diskurs erfolgte an Hand von praktischen Beispielen in mehreren Gesprächsrunden und in einer zusammenfassenden Abschlussdiskussion. Grundlage für den Diskurs war der Entwurf einer Zusammenstellung von Empfehlungen und Handlungsansätzen, die im Ergebnis der bisherigen Befassung mit dem Thema zusammengetragen wurden.
Die Veranstaltung gliederte sich in drei thematische Schwerpunkte mit jeweils zwei moderierten Podiumsdiskussionen.
Formate
Die beiden Gesprächsrunden im ersten thematischen Schwerpunkt „Formate“ wurden von Reiner Schmidt moderiert. Die Teilnehmenden reflektierten, auf welche Weise ganz praktisch kulturelle und kreativwirtschaftliche Impulse in die Quartiersentwicklung eingebracht und nutzbar gemacht werden können.
Es wurde deutlich, dass Offenheit und Aufgeschlossenheit der Akteure eine Grundvoraussetzung für die Gestaltung neuer Allianzen und Kooperationen sind. Dies gilt sowohl für kommunale als auch für nicht-kommunale Akteure aus Wirtschaft und Kultur. Eine gezielte, strukturierte und institutionalisierte Vernetzung ist eine wesentliche Voraussetzung gerade in problematischen Quartierskontexten, in denen es an Entwicklungsimpulsen fehlt. Die geforderte Offenheit bezieht sich aber nicht nur auf die Gestaltung der akteursübergreifend organisierten Zusammenarbeit, sondern auch auf die praktische Umsetzung von Entwicklungsprozessen. Es muss möglich sein, auch unerprobte Konzepte auszuprobieren zu können – mit dem Risiko, dass nicht alles so gelingt wie anfänglich gedacht oder gewünscht.
Gerade von jungen Menschen – Schüler und Studierende – getragene Initiativen bringen mit ihrem Ideenreichtum, ihrer Unkonventionalität und ihrer Umsetzungsstärke vor allem in kleinen Kommunen wichtige Impulse. Die hier aktiven jungen Menschen initiieren und tragen diese Projekte oft während ihrer Schul- oder Studienjahre, verlassen dann aber mit dem Ende der Schul- oder Studienzeit den Ort. Damit die Projekte über diesen Zeitraum hinaus weiter bestehen, muss ein Generationenwechsel vorbereitet und begleitet werden. Hier kann die Kommune – wenn sie das Engagement und die Wirkkraft des Tuns der jungen Menschen erkannt hat – auch bei knappen Ressourcen kommunikativ und unterstützend wirken.
Der Bedeutung informeller und unkonventionell gestalteter Prozesse der Quartiersentwicklung als Impulsquellen für daran anschließende Planungs- und Entwicklungsprozesse wird zunehmend erkannt. Der Bedeutung dieser vorgeschalteten Prozesse sollte durch die offizielle Definition als „Leistungsphase 0“ Rechnung getragen werden. Damit würden Stellenwert und Bedeutung dieser frühen Prozessphase für die Gestaltung komplexer öffentlicher Planungs- und Entwicklungsprozesse die notwendige Anerkennung erfahren. Zudem wäre diese informelle und oft unkonventionelle gestaltete Planungsphase auf angemessene Weise und mit entsprechend hinterlegten Ressourcen in Prozesse implementierbar.
Orte
Die anschließenden wieder von Reiner Schmidt moderierten Gesprächsrunden rückten dann die räumlichen Zusammenhänge in den Mittelpunkt. An Hand von Beispielen in städtischen sowie in kleinstädtisch-ländlichen Kontexten wurde diskutiert, unter welchen räumlichen Voraussetzungen und mit welchen Gestaltungsmöglichkeiten eine akteursübergreifende Zusammenarbeit initiiert und etabliert werden kann.
Eine wesentliche Erkenntnis war, dass im Zusammentreffen zentraler Herausforderungen – Zentrenentwicklung, Quartiers- und Kleinstadt/Regionalentwicklung – eine historische Chance gesehen wurde, den Schulterschluss wesentlicher Akteure einer Gemeinwesenentwicklung zu gestalten und zu kultivieren. Dies schließt ausdrücklich die unternehmerische Wirtschaft, Handel und Dienstleistungen, Kultur- und Kreativwirtschaft sowie kulturelle und soziokulturelle Organisationen und Einrichtungen ein.
Die Teilnehmenden zeigten beispielhaft auf, dass leerstehende Immobilien ein wertvoller Kristallisationspunkt für quartiersbezogene Entwicklungsimpulse sein können. Allerdings wurde auch deutlich gemacht, dass kulturellen und kreativwirtschaftlichen Initiativen häufig die notwendigen finanziellen, zeitlichen und personellen Ressourcen fehlen, um hier aus eigener Kraft wirksam werden zu können. An Hand von Beispielen wurde verdeutlicht, dass es hilfreich sein kann, gezielt kommunale Nutzungen und Angebote in diesen leerstehenden Immobilien zu unterzubringen. In nicht kommunal genutzten Teilräumen können dann auch ressourcenschwache Initiativen unter günstigen und indirekt kommunal unterstützten Konditionen aktiv werden.
An Hand der Co-Working-Spaces wurde aber auch deutlich, dass das Vorhandensein eines Ortes – wie etwa einer leerstehenden Immobilie – allein nicht reicht. Es braucht auch eine organisierte und strukturierte Bespielung, also eine Programmatik und ein flexibles Entwicklungskonzept, die von verantwortlichen Personen getragen werden.
Ebenso braucht es „fluide Netzwerke“, also Akteursnetzwerke mit dynamischen Konstellationen der Aktiven, die sich an sich wandelnde Rahmenbedingungen, Nutzungsanforderungen und Konjunkturen anpassen.
Auch das Thema der Finanzierung wurde diskutiert. Hier kamen die Teilnehmenden – auch vor dem Hintergrund der Erfahrungen aus dem ländlichen Raum – zu der Einschätzung, dass die klassischen Förderkonzepte mit einer festgeschriebenen Zahl von Vergleichsangeboten und restriktiven Verwendungsrichtlinien für die verausgabten Mitteln an der Realität vorbei gehen.
Einfacher wird es, wenn die Unterstützung außerhalb von öffentlichen Förderstrukturen erfolgt. Ein Beispiel wären Unternehmer, die leerstehende Immobilien für kulturelle und kreativwirtschaftliche Initiativen zur Verfügung stellen.
Strategien
In den Gesprächsrunden zum Thema „Strategien“ stand die Integration zivilgesellschaftlicher, kultureller und kreativwirtschaftlicher Handlungsansätze in eine aktivierende, kooperative und gemeinwesenorientierte Quartiersentwicklung im Mittelpunkt.
An Hand der Erfahrungen der Stadt Offenbach wurde illustriert, dass gerade zur Entwicklung strukturschwacher und von Leerstand geprägter Areale neue, radikale und substanzielle Antworten erforderlich sind. Hier sind auch größerräumige bis gesamtstädtische Zusammenhänge zu beachten, die Zentren- und Quartiersentwicklung muss zusammengedacht und gemeinsam angegangen werden. Gerade bei strukturell herausfordernden Rahmenbedingungen kann eine gemeinsame Strategie, ein gemeinsamer Plan ein sinnvolles Instrument sein, um das Handeln kommunaler, wirtschaftlicher, kultureller und zivilgesellschaftlicher Akteure zu koordinieren und eine Zielrichtung und eine Verbindlichkeit geben. Hier sind sowohl die öffentliche Hand als auch private Akteure gefragt. Seitens der Kommune sollte es eine Offenheit gegenüber dem Engagement bspw. von Verbänden (IHK) geben.
Das Beispiel Offenbach zeigt, dass bei einer strategisch aufgebauten Quartiersentwicklung vor allem um die Realisierung übergeordneter Ziele wie wirtschaftliche Entwicklung und soziale Stabilisierung im Mittelpunkt stehen. Bei der Profilierung der zu entwickelnden Angebote und Nutzungen sind die Möglichkeiten des Quartiers entscheidend. Je nach Standort und Rahmenbedingungen – Lage, städtebauliche Struktur, soziale Situation usw. – können sich bestimmte Nutzungen ausschließen, während sich andere anbieten. Es geht daher nicht darum, Angebote und Strukturen der Kultur und Kreativwirtschaft unter allen Umständen als „Heilmittel“ für die Quartiersentwicklung zu instrumentalisieren. Vielmehr muss sich aus dem Umfeld heraus ergeben, dass Kultur und Kreativwirtschaft für den Standort geeignet sind und sich hier entsprechende Ansätze nachhaltig umsetzen können.
Bei der Entwicklung tragfähiger Strategien und bei der Gestaltung der Umsetzung müssen dann auch die zentralen Akteure der Stadtkultur einbezogen werden: von der Clubcommission und den kulturellen Einrichtungen über die Coworking Federation und den Verband Soziokulturelle Zentren bis zur IHK braucht es das gesamte Spektrum der Akteure. Die Bundesinitiative Kultur- und Kreativwirtschaft kann hierbei als Think Tank und methodischer Treiber genutzt werden. Hierbei wurde aber auch betont, dass Parallelstrategien oder gar gegenläufige Strategien von etablierten Akteuren und neuen jungen Kreativen vermieden werden müssen.
Unter diesen Konstellationen rücken auch auf der praktischen Ebene neue Mischungen in den Blick: Wohnen, Arbeiten, Handel, Dienstleistungen, Kultur, private und privatwirtschaftliche sowie gemeinnützige und gemeinwesenorientierte Nutzungen und Ansätze können unter einem Dach zusammengebracht werden.
Die strategische Ebene betrifft aber nicht nur große Städte, sondern auch Kleinstädte und ländliche Regionen. Hier geht es darum, die Kleinstadt- und Regionalentwicklung durch einen gegenseitigen Austausch im Sinne von Stadt-Land-Partnerschaften auszubauen.
Darüber hinaus wurde darauf hingewiesen, dass nicht nur auf der lokalen und regionalen Ebene die Etablierung von Netzwerken und Allianzen und die akteursübergreifenden Zusammenarbeit ein Schlüssel für die Entwicklung aktivierender, kooperativer und gemeinwesenorientierter Handlungsansätze ist. Auch der Bund ist aufgefordert, integriert und ressortübergreifend zu arbeiten.
Wie schon in den vorangegangenen Runden wurde auch hier noch einmal das Thema der Zuwendungen und Unterstützungen aufgegriffen. Es wurde erneut kritisiert, dass das Zuwendungsrecht nicht auf die Lebensrealität der Kultur und Kreativwirtschaft ausgerichtet ist. Gerade für die Kultur- und Clubszene sind die üblichen Verfahrenslängen bis zur Genehmigung von Veranstaltungen gerade unter Corona-Bedingungen zu langwierig für kurzfristige Ideen. Zudem würden Akteure der Kultur und Kreativwirtschaft oft als Impulsgeber geschätzt und instrumentalisiert, aber nicht angemessen für ihre Beiträge honoriert.
In den weiteren Diskussionen zum Abschluss der Veranstaltungen brachten die Teilnehmenden noch eine Reihe weiterer Aspekte ein.
Mit kommunalen Akteuren und Akteuren aus der Kultur und Kreativwirtschaft treffen zwei Kulturen aufeinander, die oft in unterschiedlichen Handlungslogiken agieren und verschiedene Sprachen sprechen. Daher wurde vorgeschlagen, vorgeschlagen, Übersetzer, Lotsen oder „Geburtshelfer“ zu schaffen, damit gute Ideen aus der Kultur und Kreativwirtschaft nicht an der Antragstellung scheitern. Diese Übersetzer sollten nach Möglichkeit keine externen „Professionellen“ sein, sondern Akteure, die schon längere Erfahrungen in den jeweiligen Quartierskontexten haben, die sich in die Lage der Initiativen versetzen können. Wichtig ist es, diese vermittelnden und übersetzenden Akteure in die Lage zu versetzen, ihr Wissen und ihre Erfahrung auch anzubringen. Hier könnte die Idee der Tandembildung aus Wohnungswirtschaft und Kultur und Kreativwirtschaft sinnvoll sein. In Ausschreibungen könnten auch bewusst und ausdrücklich solche Tandems aus Wohnungswirtschaft und Kultur und Kreativwirtschaft vorgegeben sein.
Besonders erfreulich war, dass sich auch neue Akteure in die Diskussion einbrachten. So wurde beispielweise deutlich, dass auch die Clubkultur zur Quartierskultur beitragen kann und dass auch den Akteuren der Clubszene das Thema der Quartiers- und Stadtentwicklung ein Anliegen sein kann.
Hilfreich könnten Modellprojekte für „hybride Orte“ sein, aus denen sich Transfer- und Verstetigungsprozesse entwickeln lassen.
Aus baukultureller Sicht wurde angeregt, den gebauten Raum als quartiersprägende kulturelle und strukturelle Ressource stärker ins Papier aufzunehmen.
Beteiligungsprozesse – digitale wie analog – müssen frühzeitig ansetzen. Voraussetzung sind die Orte, in und mit denen sich Aktivitäten entfalten.
Kirchen dürfen als wichtige wohnungswirtschaftliche Player nicht vernachlässigt werden. Zudem fallen zunehmend bislang kirchlich genutzte Gebäude aus ihrer Nutzung. Hier müssen in den Kirchengemeinden die Akteure zusammengebracht werden, um auszuhandeln, wie die weiteren Entwicklungen zum Wohl des gesamten Quartiers gestaltet werden können.
Ausblick
Der Deutsche Verband für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung e.V. kann als organisatorisches und kommunikatives Dach etabliert werden, unter dem sich alle auf gleicher Augenhöhe zum gemeinsamen Stadtmachen versammeln. Aufbauend auf die im Netzwerkprozess gesammelten Erfahrungen sollen „Cocreation“ und „Coproduktion“ an zentralen Speerspitzen-Projekten erprobt werden. Hierzu soll in den nächsten drei Jahren ein konzentrierter Austausch organisiert werden.