Praxiswerkstatt Prädikow

1.9.2022
10:30 - 17:30 Uhr
Prädikow
Prädikow
Kreative Orte und Netzwerke als Teil einer zukunftsorientierten Regionalentwicklung

Agenda

Moderation

  • Reiner Schmidt / Ulrich Berding, Vernetzungsinitiative „Gemeinsam für das Quartier“
  • Julia Paaß, Netzwerk Zukunftsorte

 

10:30 Uhr

Begrüßung und Einführung in die Veranstaltung

  • Reiner Schmidt / Ulrich Berding, Vernetzungsinitiative „Gemeinsam für das Quartier“
  • Julia Paaß, Netzwerk Zukunftsorte

 

11:00 Uhr bis 12:15 Uhr

ZUKUNFTSORTE ALS BAUSTEINE EINER ENTWICKLUNGSSTRATEGIE?

Vorstellung des Netzwerks Zukunftsorte

Entstehung eines Zukunftsorts

Vorstellung Beispiel Hof Prädikow

  • Julia Paaß, Netzwerk Zukunftsorte

 

Feedback aus Kommunal-, Landes- und Bundespolitik

 

Diskussion im Plenum

 

12:15 Uhr bis 12:30 Uhr

Kaffeepause

 

12:30 Uhr bis 13:30 Uhr

WIE KÖNNEN RÜCKHOLSTRATEGIEN UND KREATIVIMPORT GESTALTET WERDEN?

Was bringt der Ansatz Zukunftsorte den Gemeinden? Einblicke in die Praxis

 

Runde 1:

Räumliche Perspektive gestalten / Ressource Raum nutzen

… mit Hilfe der gemeinwohlorientierten Entwicklung von leerstehenden Immobilien

  • Frederik Bewer, Bürgermeister Angermünde
  • Stephanie Kuntze, stellvertretende Bürgermeisterin Herzberg

 

Runde 2:

Zielgruppen erreichen

… mit Hilfe einer Kommunikations- und Beratungsstrategie

  • Philipp Hentschel, Netzwerk Zukunftsorte
  • Dr. Andreas Zimmer, Reiseland Brandenburg

 

Diskussion im Plenum

 

13:30 Uhr bis 15:00 Uhr

Mittagspause mit Rundgang auf dem Hof Prädikow

 

15:00 Uhr bis 16:00 Uhr

WIE KANN DER ANSATZ „ZUKUNFTSORTE“ BEFÖRDERT WERDEN?

Wissenstransfer für Aktive und Kommunen

Modellprojekte initiieren für Kommunen und Immobilienbesitzer*innen

  • Netzwerk Zukunftsorte
  • Dana Kurz, startklar a+b GmbH – Dritte Orte / Initiative ergreifen
  • Daniela Weinand Innovationsmanagement – WIR!-Region Elbe Valley

 

Diskussion im Plenum

 

16:00 Uhr bis 16:15 Uhr

Kaffeepause

 

16:15 Uhr bis 17:15 Uhr

HANDLUNGSANSÄTZE FÜR DIE ZUKUNFT

Akteursübergreifende, kommunikative und strategische Ansätze gestalten

Moderierte Diskussion

  • Sven Guntermann, LAG Elbe-Elster
  • Dr. Georg Dybe, Staatskanzlei Brandenburg, Referat Regierungsplanung / Regionalplanung
  • Anne-Carin Heilmann, BMI, Referat SIII1 – Grundsatz; Raumordnung

 

17:15 Uhr bis 17:30 Uhr

Resümee und Ausblick – Vom Netzwerk zur Strategie?

  • Reiner Schmidt / Ulrich Berding, Vernetzungsinitiative „Gemeinsamfür das Quartier“
  • Julia Paaß, Netzwerk Zukunftsorte

report

Ergebnis

Räumliche Entwicklungsstrategien müssen in ländlichen und kleinstädtischen Strukturen auf andere Problemlagen reagieren als in Großstädten und Metropolen. Um diese näher zu beleuchten, fand am 1. September 2022 auf dem Hof Prädikow die Werkstatt „Rurale Strategien“ der Vernetzungsinitiative Gemeinsam für das Quartier statt. Verschiedene Akteure tauschten hier ihre Perspektiven und Erfahrungen aus: u. a. Bundesverbände, Vereine, Netzwerkagenturen und Bürgermeister brandenburgischer Gemeinden. Die insgesamt 24 Teilnehmenden brachten ihre vielfältigen Erfahrungen und Kompetenzen ein und diskutierten, wie kreative Zukunftsorte und Netzwerke Teil einer zukunftsorientierten Regionalentwicklung werden können.

Hof Prädikow als Ausgangsort der Zukunftsorte

Der Hof Prädikow steht als Ort selbst exemplarisch für die in der Werkstatt thematisierten Fragestellungen. Bis zur Wende befanden sich auf dem Hof eine Brennerei, eine Schmiede, Scheunen, Landwirtschaft und Wohngebäude. Seit 2016 entwickelt ein genossenschaftliches Wohn- und Arbeitsprojekt den Vierseithof. Er soll zu einem Ort zum Wohnen, Leben, Arbeiten, für Kultur und mit multifunktionalen Räumen für die neuen 70 Bewohner:innen und die Menschen vor Ort werden. Der Hof Prädikow ist auch die Keimzelle des 2018 gegründeten Netzwerks „Zukunftsorte“. Das Netzwerk vereint ländliche Projekte, die Leerstände und Brachflächen zu impulsstarken Wohn- und Arbeitsorten entwickeln, sich dabei einer gemeinwohlorientierten Immobilienentwicklung verschreiben und offene Treffpunkte und Angebote für das Umfeld aufbauen. Zukunftsorte sind Impulsorte des kollaborativen Lebens und Arbeitens. Daher stellen sich im Hinblick auf weiterreichende Strategien folgende Fragen: Können Zukunftsorte als Bausteine einer Entwicklungsstrategie jenseits der Metropolen wirken? Was bringt der Ansatz der Zukunftsorte kleinen Gemeinden und Kommunen? Wie kann der Ansatz „Zukunftsorte“ befördert werden?

Einführung in die Veranstaltung

In seinem einleitenden Impuls betrachtet Prof. Reiner Schmidt, Koordinator der Vernetzungsinitiative „Gemeinsam für das Quartier“, grundsätzliche strategische Fragen zur zukunftsfähigen Entwicklung ländlicher Gemeinden. Er differenziert dabei drei strukturelle Ansätze, in die sich rurale Strategien für eine gemeinwohlorientierte, koproduktive und aktivierende Entwicklung unterteilen lassen: Haltestrategien, Rückholstrategien und Kreativimport. Haltestrategien richten sich an die bestehende Bevölkerung, um Abwanderungsprozesse zu verhindern. Demgegenüber geht es bei Rückholstrategien und Kreativimport darum, den Standort vor allem für jüngere, kreative und engagierte Menschen attraktiv zu machen. Sie sollen dazu motiviert werden, zurückzukehren bzw. sich hier niederzulassen und mit ihren Ideen und Impulsen die Entwicklung des jeweiligen Ortes zu stärken. Für Prädikow und das Netzwerk Zukunftsorte stehen vor allem die Gestaltung von Rückholstrategien und Kreativimport im Mittelpunkt. Hierbei stellt sich die Frage, wie das dafür notwendige Zusammenspiel der unterschiedlichen Akteurs- und Entwicklungsebenen – Landes- und Regionalentwicklung, Landkreise und Kommunen sowie zivilgesellschaftliche Netzwerke – gestaltet werden kann.

Zukunftsorte als Bausteine einer Entwicklungsstrategie?

Julia Paaß vom Netzwerk Zukunftsorte bringt das angestrebte Ziel auf den Punkt: Zukunftsorte sollen urbane Qualitäten und ländliche Vorzüge miteinander verbinden. In ihrem Beitrag beleuchtet sie zunächst die besonderen Leistungen und Mehrwerte von Zukunftsorten:

• Als Orte der Integration und des Austauschs und kreieren sie wichtige Mehrwerte.

• Zukunftsorte schaffen Kultur- und Bildungsangebote und bieten Raum für Treffen und Veranstaltungen und schaffen Orte für Gemeinschaft.

• Zukunftsorte sind Orte für Gründer:innen und Orte für Innovation.

• Zukunftsorte bringen lokale und regionale Initiativen zusammen.

• Zukunftsorte schaffen nachhaltige Angebote unter Nutzung lokaler Ressourcen.

Darauf aufbauend beschreibt Julia Paaß die Möglichkeiten und Voraussetzungen zur Entwicklung einer Zukunftsorte-Strategie. Aufgrund vielschichtiger Herausforderungen – Preisentwicklungen auf dem Immobilienmarkt, kulturelle Konflikte zwischen Bestandsbevölkerung und Hinzuziehenden, politisch rechtsgerichtete Strukturen sowie teils unrealistische Vorstellungen der Zuziehenden – ist es wichtig, Zukunftsorte als Orte und Motoren der Transformation zu unterstützen und zu stärken. Es braucht zum einen eine Professionalisierung der Akteure, zum anderen auch passende Rahmenbedingungen für die Entstehung geeigneter Orte. Ein Kompetenzcluster für kooperative Immobilienentwicklung kann hierbei ein Ansatz sein, vorhandene Kompetenzen zu bündeln und für die Akteure verfügbar zu machen.

In Prädikow, aber auch grundsätzlich bei der Entwicklung von Zukunftsorten, kommt den Kommunen eine wichtige Rolle als Ermöglicher und Unterstützer zu. Dies wiederum setzt eine gewisse Haltung sowie engagierte Mitarbeiter:innen in den Verwaltungen voraus. Zudem ist – im Sinne eines über einzelne Orte und Regionen hinausgehenden strategischen Ansatzes – auch die Landespolitik gefordert. Die Idee der Zukunftsorte ließe sich skalieren, beispielsweise über kollegiale Beratungen zwischen Kommunen oder die Organisation von Runden Tischen. Grundsätzlich sollte es, so Julia Paaß, auf allen politischen Ebenen eine Offenheit für neue, wenig erprobte und experimentelle Ansätze geben.

Wie können Rückholstrategien und Kreativimport gestaltet werden? Was bringt der Ansatz Zukunftsorte den Gemeinden?

Im ersten Diskussionsblock standen die Gestaltung von Rückholstrategien und Kreativimport im Mittelpunkt. Hierzu thematisierte die einleitende Runde mit lokalen politischen Vertreter:innen die Frage, wie die räumliche Perspektive mit Hilfe der gemeinwohlorientierten Entwicklung von leerstehenden Immobilien gestaltet werden kann. Zwei gute Beispiele für eine gemeinwohlorientierte Entwicklung leerstehender Immobilien stellten Frederik Bewer, Bürgermeister von Angermünde, und Stephanie Kuntze, stellvertretende Bürgermeisterin der Gemeinde Herzberg, vor.

Die Ressource Raum nutzen: Angermünde in Brandenburg

In Angermünde wurde das „Haus mit Zukunft“ in einem leerstehenden kommunalen Gebäude von der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde in Kooperation mit der Stadt Angermünde und dem Netzwerk Stadt Land Oder gemeinsam mit engagierten Menschen aus der Region entwickelt. Selbstständige, Gründer:innen sowie Kultur- und Kreativschaffende können sich hier für Stipendien für die Nutzung der Räume bewerben. Durch den Prozess habe auch ein Umdenken in der Verwaltung stattgefunden und es wurden Leitlinien herausgearbeitet, wie Kommunen mit solchen Prozessen umgehen können, erklärt Bewer. Weil die Kommunen in den 1990er Jahren große Teile ihres Immobilien- und Grundstücksbesitzes veräußert haben, fehlt es hier nun an direkten kommunalen Einflussmöglichkeiten. Mittlerweile habe sich die Haltung der Kommunen gewandelt, und man sei bestrebt, kommunales Eigentum zu halten, um so mehr Einfluss auf die Entwicklung der Immobilien zu haben. Käme es doch zum Verkauf, dann sei hiermit eine Bauverpflichtung durch den:die neuen Eigentümer:innen im Sinne des Diktums „Eigentum verpflichtet“ verbunden. Ebenso wende man das Instrument der Konzeptvergabe an, formuliere aber die Kriterien bewusst offen, um nicht unbeabsichtigt gute und innovative Ideen schon im Ansatz zu blockieren. In diesem Zusammenhang seien die Prozesse des Netzwerks Zukunftsorte sehr interessant für die Kommunen – wenn auch die Verwaltungen oft nur unzureichend über die Aktivitäten des Netzwerks informiert seien.

Herzberg gestaltet räumliche Perspektiven

Das Engagement der Bürgermeister:innen sei ein entscheidender Faktor für das Vorantreiben von Aktivitäten zur Entwicklung von Kleinstädten, erklärt Karsten Eule-Prütz, Bürgermeister der Stadt Herzberg. Dort wurde beispielsweise eine Leerstandssafari organisiert, um leerstehende Immobilien mit Entwicklungspotenzialen zu identifizieren. Im Zuge dieser Safari hat man auch die Anfang des 20. Jahrhunderts errichtete und lange Jahre leerstehende Stadtvilla eines in Herzberg lebenden Fabrikanten entdeckt. Nun entsteht dort ein offener Ort für Austausch und Partizipation, der Möglichkeiten geben soll, städtische Zukunftsthemen auszugestalten. Außerdem bietet die Stadt mit dem Programm „Summer of Pioneers“ Städter:innen ein Landleben auf Probe an. Zu günstigen Mieten in einer möblierten Wohnung und Zugang zu Co-Working-Räumen kann man ein halbes Jahr lang das Leben in Herzberg ausprobieren. Bedingung ist eine Projektidee, die in Herzberg für die Menschen vor Ort umgesetzt werden soll. „Das ist eine niedrigschwellige Marketingkampagne zum Kreativimport“, erläutert Stephanie Kuntze, stellvertretende Bürgermeisterin in Herzberg.

Zielgruppen erreichen mit Hilfe einer Kommunikationsstrategie

In der nächsten Diskussionsrunde steht die Frage im Mittelpunkt, wie Zielgruppen mit Hilfe einer Kommunikationsstrategie erreicht werden können. Philipp Hentschel vom Netzwerk Zukunftsorte führt hierzu in seinem einleitenden Impuls aus, dass die Ansprache von Zielgruppen auf unterschiedliche Weise probiert werden soll. Dies könne bottom-up, wie durch die Zukunftsorte, aber auch top down geschehen. Ein gutes Beispiel für eine top down organisierte zielgruppenspezifische Ansprache sei die Kampagne „JWD“ des Landes Brandenburg, in der „janz weit draußen“ zu „jeder will dahin“ umgedeutet wird. Ziel der Kampagne sei es, die ländlichen Regionen für bestimmte Zielgruppen und für Fachkräfte sichtbar zu machen. Exemplarisch für einen Bottom-up-Ansatz ist die Alte Schule Zehdenick, wo ein Ort für Coworking nutzbar gemacht und kommuniziert wird. Hier werden Akteure zusammengebracht und dadurch Mehrwerte generiert.

Dr. Andreas Zimmer vom Reiseland Brandenburg erweitert in seinem Impuls die strategische Perspektive und macht deutlich, dass für die Bewohnenden vor Ort auch die touristische Entwicklung relevant ist. Man könne sich die im Tourismus wichtige Fragen stellen und praktisch nutzbar machen: „Warum sollte jemand in meinen Ort kommen? Was ist hier besser als bei Ihnen zuhause? Warum sollte ein Urlauber kommen, wenn andere dort wegziehen?“ Es gehe letztlich um die Entwicklung von Destinationen. Viele dieser Orte haben eine touristische Komponente, denn Kultur ist touristisch geprägt. So könne man sowohl Regionen vermarkten als auch Zielgruppen für Zukunftsorte erreichen. Viele Projekte suchen über den Tourismus einen Fördereinstieg. Dafür seien die Programme zwar eigentlich nicht konzipiert, könnten aber durchaus geeignet sein, wenn sie sich in diese Richtung öffnen würden.

Wie kann der Ansatz „Zukunftsorte“ befördert werden? – Modellprojekte

Das Konzept der Zukunftsorte wird bereits in vielen Kleinstädten und Gemeinden Brandenburgs umgesetzt. Diese sehen in den Zukunftsorten die Chance, das Zusammenleben für Menschen vor Ort und für Besucher*innen positiv zu gestalten. Nachhaltige und gemeinwohlorientierte Ansätze können besonders der Überalterung der ländlichen Regionen entgegenwirken: „Junge Menschen braucht das Land“. Doch wie kann dieser Ansatz weitergetragen werden? Wie kann das bestehende Potenzial multipliziert werden? Diese Fragen wurden anhand von konkreten Beispielen im zweiten Diskussionsblock erörtert.

Zur Veranschaulichung stellt Julia Paaß ein aktuelles Projekt des Netzwerks vor: die frisch aufgelegte „Wissensplattform“. Diese sammelt digital das bereits vorhandene Wissen zu Zukunftsorten und ergänzt es stetig um weitere Aspekte. Interessierte werden in den vier Phasen zur Umsetzung eines Zukunftsorts: suchen, gründen, bauen und betreiben beraten. Zielgruppen sind Kreative, Eigentümer:innen und Kommunen. Zusätzlich können sich Kommunen und Immobilienbesitzer:innen in der Publikation „Übermorgen“ zu Möglichkeiten gemeinwohlorientierter Immobilienentwicklung auf dem Land informieren. Der Mehrwert für Eigentümer:innen besteht demnach vor allem darin, soziale Rendite zu erzielen und Immobilien auf der Plattform zu vermitteln.

Das „Dritte Orte Programm“, ein Förderprogramm in Nordrhein-Westfalen, ist ein weiteres Beispiel für nachhaltige und gemeinwohlorientierte Ortsentwicklung. Dana Kurz von der startklar a+b GmbH aus Köln stellt das Programm vor, das Aktive aus der Zivilgesellschaft flexibel unterstützt und diese mit Kommunen zusammenbringt. Hintergrund des Programmes ist u. a., dass in NRW Beratungsleistungen für Aktive weniger als Aufgabe der Verwaltung verstanden und daher an externe Beratungsstellen delegiert werden.

Einen dritten Ansatz erläutert Daniela Weinand vom Innovationsmanagement der Bündnis „WIR!-Region Elbe Valley“. Die WIR!-Region fördert Wandel durch Innovation in der Region. Grundlage ist ein ganzheitlicher Blick auf die Region mit einem verbindenden Wertekanon, bestehend aus den drei Säulen: „neue Arbeit, neue Wege und neue Wohnformen“. Kooperationen mit Hochschulen und Unternehmen sind dabei unerlässlich, um die Region nachhaltig, resilient und innovativ neu zu gestalten.

Die weitere Diskussion machen deutlich, dass in allen drei vorgestellten Programmen das Problem einer dauerhaften Finanzierung, über eine Startfinanzierung hinaus, besteht. Die Unterstützung ist zumeist befristet und geht selten über eine Beratungsleistung hinaus. Vorreiter in dieser Hinsicht ist Nordrhein-Westfahlen mit dem Programm „Initiative ergreifen“. Dritte Orte werden in diesem Rahmen von der Planungs- bis in die Bauphase beraten und qualifiziert. Die Projektauswahl ergibt sich unter anderem aus dem eingeschätzten Potenzial der langfristigen Tragfähigkeit. Darüber hinaus benennen die anwesenden Akteure weitere Hürden in der Etablierung von Zukunftsorten, so werden die notwendige Überzeugung der politischen Akteure und das Entwickeln tragfähiger Geschäftsmodelle als häufige Hemmnisse beschrieben.

Strategische Handlungsansätze für die Zukunft – akteursübergreifend und kommunikativ

Sven Guntermann von der LAG Elbe-Elster stellt das Förderprogramm „LEADER“ vor. Mit diesem Programm werden Haltestrategien verfolgt, in dem Aktive vor Ort beraten werden. Anders als in vielen anderen Programmen können Gelder für investive Maßnahmen wie z.B. gemeinschaftsorientierte Wohnprojekte genutzt werden. Damit können lokale Aktionsgruppen Bottom-up-Projekte umsetzen, mit dem Ziel, Alteingesessene und Zugezogene zusammenzubringen. Das Förderprogramm ist komplex, sodass es hohe Hürden bei der Antragstellung gibt.

Dr. Georg Dybe, Referat Regierungsplanung/Regionalentwicklung der Staatskanzlei Brandenburg, betont, dass Brandenburg in verschiedenen Bereichen vor großen Herausforderungen steht: Das Land hat Interesse daran, Zuzug zu fördern oder zu initiieren. Dabei sei es wichtig, den Konflikt zwischen „Alt und Neu“ zu vermeiden. Mithilfe von Zukunftsorten können hier Brücken geschlagen werden. Zur Vereinfachung von Prozessen und damit zur Unterstützung der Zukunftsorte habe die Staatskanzlei den Anspruch, verschiedene Förderprogramme, regionale Akteure und die entsprechenden Ministerien für eine regionale Entwicklungsstrategie zusammenzubringen.

Anne-Carin Heilmann vom Referat SIII 1 (Grundsatz; Raumordnung) vom BMWSB stellt das Programm „Region gestalten“ mit der „Förderinitiative 2.0“ vor. Ziel ist die Verbesserung der Daseinsvorsorge in strukturschwachen ländlichen Räumen durch digitale Lösungen. Ein Baustein kann hier beispielsweise ein gemeinwohlorientiertes Leerstandsmanagement sein. Ziel ist es, zukünftig den Ergebnistransfer und die Verstetigung von Projekten von Beginn an mitdenken zu können. Aktuell gibt es eine Ausschreibung zum „Patenmodell“ – Patenregionen, die bereits Erfahrungen gesammelt haben, sollen andere Regionen unterstützen. Im Jahr 2023 findet der „Tag der Regionen“ statt, an dem sich Regionen mit Vorbildcharakter vorstellen und Fragen beantworten.

Im weiteren Austausch wird deutlich, dass aus kommunaler Sicht viele der vorhandenen Förderkulissen hinsichtlich der unterstützten Fördergegenstände und Vorgehensweisen veraltet sind und innovativer sein könnten. Darüber hinaus sei der bürokratische Aufwand sehr hoch und mache es kleinen Gemeinden schwer, sich überhaupt auf Förderprogramme zu bewerben. In Bezug auf die faktischen Herausforderungen und möglichen Strategien und Herangehensweisen zeigt die Diskussion, dass es durchaus Überschneidungen und Gemeinsamkeiten zwischen städtischen Lagen und ländlichen Umfeldern gebe. Daher könne es gewinnbringend sein, Akteure und Initiativen aus beiden Umfeldern zu einem Erfahrungsaustausch zusammenzubringen.

Fazit

Zum Abschluss der Diskussion kristallisieren sich noch Handlungsansätze zur Entwicklung von Halte- und Rückholstrategien und Kreativimport heraus:

• Nicht immer ist es einfach, die in den urbanen Räumen lebenden Zielgruppen zu erreichen und anzusprechen, die die im ländlichen Raum vorhandenen oder zu schaffenden Angebote auch nachfragen. Die ländlichen Räume müssen Wege finden, ihre Angebote und Qualitäten bei affinen Gruppen bekannt und für diese interessant und attraktiv zu machen. Ein Ansatz könnte der Kreativtourismus sein, also zunächst auf Orte und Angebote für temporäre Aufenthalte urbaner Kreativer zu fokussieren. So könnten die Qualitäten ländlicher Räume kreativen Zielgruppen erlebbar gemacht werden. Hieraus können weitere dauerhafte Perspektiven entwickelt werden.

• Relativ einfach zu realisieren wäre eine Vernetzungsplattform für Zukunftsorte. Diese könnte den Erfahrungsaustausch unter den Zukunftsorten verbessern und ihre Angebote und Qualitäten für Zielgruppen bekannt machen.

• Im Sinne einer Haltestrategie sollten ländliche Kommunen vor allem daran arbeiten, eine positive Bindung der Schüler*innen an ihren Ort zu erzeugen, um so Tendenzen einer dauerhaften Abwanderung entgegenzuwirken.

Vom Land für die Stadt lernen

In resümierenden Beiträgen konstatieren die Teilnehmenden, dass es nicht nur darum geht, wie strukturschwache ländliche Räume durch Zukunftsorte und Netzwerke Kreativimport und Rückholstrategien befördern können. Darüber hinaus können auch Städte vom ländlichen Raum lernen.

So werde im ländlichen Raum oft – notgedrungen – ganzheitlicher gedacht als in Innenstädten und Wohnquartieren. Ebenso können dörfliche Qualitäten wie Nachbarschaftlichkeit, Familienfreundlichkeit oder auch ein kurzer Draht zur lokalen Politik und Verwaltung für städtische Quartiere ebenso attraktiv sein. Zudem werden in ländlichen Räumen auf kreative Weise neue und innovative Formen des gemeinschaftlichen Lebens und Arbeitens entwickelt und erprobt, die auch für städtische Quartiere interessant sind. Auch aus den politisch-administrativen Organisationsstrukturen kleiner Gemeinden können größere Städte lernen.

Insgesamt sei die strikte Trennung von urbanen und ländlichen Räumen beispielsweise in den Förderkulissen des Bundes nicht unbedingt zielführend. Es gebe zwar viele Unterschiede, aber eben auch viele ähnliche Ziele und Prozesse. Sinnvoll wäre es daher, wenn der Bund Strukturen schaffen würde, städtische und ländliche Akteure in einem ortsunabhängigen Austausch zusammenzubringen, damit sich städtische und ländliche Initiativen gegenseitig befruchten können. Hierbei sei es wichtig, nicht in vorgefertigten Kategorien zu denken, sondern zu fragen, wer welche Ideen einbringen kann und wer woraus gelernt hat.

An das Netzwerk Zukunftsorte gerichtet wird der Anspruch formuliert, noch deutlicher zu betonen, dass es auch darum geht, Arbeitsplätze zu schaffen – und dass das Netzwerk hier einen wichtigen Beitrag leistet, den es zu unterstützen lohnt.

Ein abschließendes Plädoyer sowohl der kommunalen Vertreter:innen als auch des Netzwerks Zukunftsorte richtet sich an die Landes- und an die Bundesebene: Um die vielversprechenden innovativen Ansätze nachhaltig zu unterstützen und den engagierten Akteuren eine dauerhaft tragfähige Perspektive zu geben, bedürfe es einer besseren institutionellen und strukturellen Förderung.

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© Anke Schüttler